Interview mit Daniel Reuber - Teil Eins
Wieso gerade Thailand?
Im Rahmen meines Studiums war ein Auslandssemester vorgesehen, das an verschiedenen Universitäten auf der ganzen Welt absolviert werden konnte. Neben den, in meinen Augen damals naheliegenden Ländern wie Australien oder Amerika, gab es auch einige ausgefallenere Länder wie Südafrika oder eben Thailand. Viele der angebotenen Universitäten lagen in Ländern, über die ich schon von vielen Freunden Erfahrungsberichte gehört hatte, da sie dort ein Auslandssemester absolviert hatten oder nach dem Abitur das beliebte Jahr Work-and-Travel absolviert hatten. Der Reiz, etwas Neues zu erleben, was vielleicht so noch niemand in meinem Bekanntenkreis erfahren hat, verleitete mich also zur Wahl eines etwas exotischeren Landes - das war in diesem Fall dann Thailand. Was in der Entscheidung aber sicherlich auch eine wesentliche Rolle gespielt hat, ist die Tatsache, dass die Lebenshaltungskosten dort deutlich niedriger sind als beispielsweise in Amerika oder Australien. Es war also die bewusste Entscheidung für ein kulturelles Abenteuer, die durch einige andere Faktoren begünstigt wurde. Ich fand den Gedanken, in einem Land zu leben wo andere Leute nur Urlaub machen, einfach spannend.
Hast du einen besonderen Draht zu diesem Land?
Ich denke aufgrund der Tatsache, dass ich dort ein halbes Jahr gelebt habe und zum ersten Mal mit einer mir völlig fremden Kultur konfrontiert wurde sind definitiv Erinnerungen entstanden, die es so kein zweites mal in meinem Leben geben wird. Inwiefern sich da jetzt ein besonderer Draht draus drehen lässt sei dahingestellt, aber ich bin definitiv gerne und mit einer gewissen Regelmäßigkeit dort und fühle mich auch ein Stück weit heimisch, sobald ich auf der Rückbank eines Taxis sitze und vom Flughafen in Richtung Bangkok fahre. Dort bin ich im Übrigen auch wesentlich lieber als auf den diversen Inseln im Süden des Landes, da hier die ursprüngliche Kultur des Landes deutlicher spürbar ist und der Tourismus noch nicht komplett die Oberhand gewonnen hat.
Welchen Einfluss hatte dein Studium auf deine Arbeit als Fotograf?
Um ehrlich zu sein keinen besonders großen. Fotografie war nur ein unwesentlich kleiner Teil - ein Kurs in einem Semester, um genau zu sein, innerhalb meines Studiums und in diesem habe ich nicht sonderlich viel neues lernen können. Das hängt für nich aber auch damit zusammen, dass Fotografie für mich ein Handwerk ist, dass durch Autodidaktik wesentlich schneller und sinnvoller erlernbar ist, als es durch einen Lehrer oder “Meister” vermittelt zu bekommen. Was die technischen Aspekte betrifft – wie man eine Kamera bedient, was Belichtung, Blende und der goldene Schnitt sind – macht es sicherlich Sinn diese Grundsätze durch eine Person vermittelt zu bekommen. Aber der eigentliche Lernprozess entsteht durch das Machen an sich - und da muss jeder sein eigener Meister sein.
Im Auslandssemester in Thailand hatten wir dann auch noch mal einen Kurs zum Thema Fotografie, der war zwar nicht besonders lehrreich, aber aufgrund unseres Dozenten sehr inspirierend. Die journalistische Fotografie und das Einfangen des Zeitgeschehens hat da mein Interesse geweckt. Das, kombiniert mit einem gewissen ästhetischen Anspruch an das Bild, ist das das Resultat dieser Inspiration, die sich auch ganz klar in den Bildern der Faces of Thailand wiederfindet.
Wieso hast du dich bei den Faces of Thailand Bildern für schwarz-weiß entschieden?
Weil sie ehrlich sind. Ziel war es, das Land von einer, für die meisten Außenstehenden, fremden Seite zu portraitieren. Diese steht im Kontrast zu all dem Schönen, mit welchem dieses Land oft verbunden wird. Durch den Verzicht auf Farbe in den Bildern habe ich mir selbst den Spielraum genommen, das Bild durch Veränderung der Farbwerte nach Belieben zu verändern. Der Fokus liegt dadurch ganz und gar auf dem gezeigten Motiv und somit dem eigentlichen Inhalt. Das war ab und zu tatsächlich eine kleine Herausforderung, da ich mich bei meinen Bildern und deren Farbgestaltung normalerweise wie auf einer Spielwiese austobe. Der Punkt ist aber, dass Portraits für mich in schwarz-weiß eine wesentlich stärkere Wirkung haben und durch die harten Kontraste die Gesichtszüge besser zur Geltung kommen. Das war mir in dem Fall wichtiger als eine stimmige Farbgebung.
Was fasziniert dich am Motiv Mensch?
In dem Projekt 'Faces of Thailand' bestand mein Interesse hauptsächlich darin, die Kultur dieses Landes mit ihren positiven, aber auch negativen Seiten zu portraitieren. Und Menschen sind lebendige Manifeste einer Kultur, wie sie trotz ihrer Gemeinsamkeiten unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei stehen weniger die einzelnen Personen im Vordergrund, sondern vielmehr das Bild, was sich durch die Motive und deren Geschichten in der Gesamtheit ergibt. Das Portrait bzw. der Mensch war hier also eher ein Mittel zum Zweck. Dennoch ist es ein Motiv, mit dem sich die meisten Menschen über kulturelle Grenzen hinweg identifizieren können und somit eine gewisse Zugänglichkeit in die Thematik schafft. Diese sollte auch unabhängig davon gegeben sein, ob man den abgebildeten Menschen kennt oder nicht.
Gab es Momente, die dich besonders berührt haben während deiner Arbeit für Faces of Thailand?
Davon gab es mit Sicherheit einige. Ich habe beispielsweise noch nie eine Person kennengelernt, die das magische Alter von 100 Jahren überschritten hat. Auf einer meiner Touren durch Bangkoks Slums (Khlong Toei) durfte ich dies dann erleben und auch in einem Bild festhalten - wenn auch vorerst unbewusst. Viele Momente, gerade auch vom Elend, welches in diesem Land zu finden ist, habe ich in Bildern festgehalten, sowohl mit meiner Kamera als auch in meinem Kopf. Das sind teilweise aber auch Bilder, die nicht für eine Leinwand gemacht sind und den erwähnten ästhetischen Anspruch nicht erfüllen. Als Ende 2013 Demonstranten versucht haben, das Gebäude des staatlichen Polizeiministeriums zu stürmen, entstanden Bilder, welche stark an dieser Grenze kratzen. Hier war ich direkt an der Front zwischen Wasserwerfern und Gummigeschossen, lediglich mit meiner Kamera und einer Taucherbrille gegen das Tränengas bewaffnet, auf der Jagd nach dem perfekten Bild um die Ereignisse einzufangen. Sowas bleibt natürlich im Kopf und ist im Nachhinein betrachtet vermutlich etwas blauäugig gewesen, aber ich bin dennoch froh, es gemacht zu haben - und das Glück gehabt zu haben, dass mir selbst nichts passiert ist.